Rückblickend hat sich in den letzten Jahren vor allem eine Sache ganz grundlegend in meinem Leben verändert: mein Kaufverhalten. Das Bedürfnis meinen Fokus auf Nachhaltigkeit zu lenken, bedacht mit Klamotten umzugehen und Fast Fashion in meinem Alltag zu minimieren, ist immer größer geworden. Wenn ich zuvor noch jede Saison den neuesten Pieces hinterhergerannt bin, denke ich jetzt drei Mal nach, ob ich das gute Stück wirklich brauche. In den meisten Fällen besitzt man nämlich schon ein ganz ähnliches Teil in seinem Kleiderschrank oder findet in der hintersten Schublade eine verloren geglaubte Alternative, die mindestens genauso gut ist.
Eng verknüpft mit dem bewussteren Konsum ist auch meine immer größer werdende Leidenschaft: Vintage Shopping. Hierfür spricht zum einen, dass mir der Gedanke gefällt, ein Kleidungsstück zu besitzen, das bereits eine spannende Geschichte hinter sich haben könnte. Zum anderen, weil es sich, mal ganz plump ausgedrückt, einfach lohnt. Wenn man nämlich genauer darüber nachdenkt, sind neugekaufte Klamotten nach dem ersten Tragen meistens nicht mal mehr als die Hälfte vom Originalpreis wert bzw. sind andere oft auch nicht bereit mehr als das zu zahlen.
Ein weiterer Pluspunkt? Ich habe bisher fast immer gute Erfahrungen mit Kleidung aus zweiter Hand gemacht – in wirklich nur ganz seltenen Fällen war das Produkt nicht der Beschreibung entsprechend oder ist nie angekommen. Das waren aber alles Ausnahmen, die meisten Fundstücke waren wirklich in einem neuwertigen Zustand und zudem um einiges preiswerter. Mittlerweile sind Seiten wie Vestiaire Collective oder eBay zu meinem virtuellen Kaufhaus mutiert. Viel Spaß macht aber auch die Schatzsuche offline – denn so kann man das Objekt der Begierde direkt anprobieren. Vor allem Berlin ist um den gesamten Globus als absolutes Secondhand-Paradies bekannt und explodiert fast an Flohmärkten, riesigen Lagern mit Klamotten aus zweiter Hand und kleinen, fein sortierten Vintage-Boutiquen. Welche Shopping Spots sich jedoch wirklich lohnen, habe ich Euch zusammengetragen. Et voilà, hier kommen meine TOP6 Adressen für Vintage Shopping in der deutschen Hauptstadt:
NEUZWEI
Beginnen möchte ich gleich mit einem absoluten Favoriten, neuzwei ist so etwas wie ein zweites Wohnzimmer von ein paar meiner Freundinnen und ich frage oft auch auf dem Instagramaccount nach dem einen oder anderen vorgestellten Teil. Das liegt neben der tollen Einrichtung und der gemütlichen Sitzecke vor allem daran, dass ich in der kleinen Boutique mitten in Neukölln so gut wie immer etwas finde. Auf Store-Besitzerin Barbara, die unglaublich herzlich und immer einen Tipp parat hat, ist eben Verlass.
Und genau deswegen verschlägt es mich und meine Freundinnen auch immer wieder dort hin. Was den Laden so besonders macht? Barbara hat ein unheimlich gutes Gespür für die perfekten minimalistischen Pieces, hochwertigen Klassiker und zeitlosen Accessoires. Neben wunderschönen Jil Sander Silk Pants, kann man auch auf gut erhaltene Gucci Slipper oder Miu Miu Pumps stoßen, aber auch Burberry Trenchcoats und Max Mara Mäntel hängen ganz aktuell auf der Kleiderstange und lächeln mich und meine Geldbörse verdächtig reizvoll an. Um das Outfit zu komplettieren, werdet auch Ihr mit Sicherheit Eure perfekt sitzende Vintage Levi’s dort finden – bei der Auswahl kein Wunder. Einen Besuch kann ich Euch wirklich nur ans Herz legen!
Neuzwei: Weserstraße 53, 12045 Berlin
VEIST KLEIDERGESCHICHTEN
Wir bleiben in Neukölln und bewegen uns in Richtung Boddinstraße zu Veist, einem kleinen Secondhand-Geschäft in der Nähe vom Schillerkiez. Bei Veist macht es die Mischung: Das Angebot erstreckt sich von Noname Brands bis hin zu skandinavischen Labels wie Acne Studios und Henrik Vibskov und Berliner Designern wie Lala Berlin. Wer es noch etwas verrückter mag, kommt auch hier auf seine Kosten und findet vermutlich das Escada Glitter Dress der Träume. Das Schöne an dem Laden habe ich aber noch gar nicht erwähnt, denn die Besitzerin und ihr Team arbeiten mit viel Liebe zum Detail und versehen jedes Kleidungsstück und Accessoire mit süßen Anekdoten. Es geht eben um Klamotten, die Geschichten erzählen.
Außerdem praktisch: Wenn Ihr auf der Suche nach etwas Bestimmten, aber im Laden nicht fündig geworden seid, könnt Ihr Euch gerne an die Veist-Mädels wenden. Sobald Euer Wunschstück im Laden eintrudeln sollte, werdet Ihr so schnell wie möglich persönlich kontaktiert– Service at it’s best! Übrigens: Plant doch ein bisschen mehr Zeit ein und holt Euch nach der Shoppingtour einen leckeren Cappuccino und veganen Kuchen in der nicht weit entfernten Speiserei 58!
Veist Kleidergeschichten: Selchower Str. 32, 12049 Berlin
MANKII
Da die Berliner Modewelt meistens in Berlin Mitte stattfindet, bin ich beruflich oftmals in der Gegend unterwegs. Sobald ich mich der Torstraße nähere, steht fest: Mankii ist ein Muss! Der von außen eher unscheinbare Laden verbirgt wahre Designerschätze, aber vom feinsten. Schon beim ersten Stöbern fallen die Blicke auf die riesige Auswahl an Vintage Burberry Pieces, Prada Rollkragenpullover aus Kaschmir und dem wunderschönen Bling Bling, der sich perfekt positioniert in der Vitrine von seiner besten Seite zeigt. Danach heißt es Liebe auf den zweiten Blick – und zwar in eine der wunderschönen Ledertaschen, die jede Menge Pariser retro Charme versprühen. Wer auf der Suche nach ultimativen Luxusklassikern ist, wird hier auf jeden Fall fündig!
Mankii Vintage: Gormannstraße 16, 10119 Berlin
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SOEUR
Apropos Paris: Wer wie ich von französischer Nonchalant nicht genug bekommen kann, der wird, wie der Name schon verrät, an Soeur nicht vorbeikommen. Kein anderer Vintage Store hat meiner Meinung nach so eine schöne Auswahl an Essentials von Isabel Marant, Sandro und Co. wie der kleine Laden in der Marienburger Straße in Prenzlauer Berg. Besonders gefällt mir die Atmosphäre bei Soeur: Die Stimmung ist durch den Kiez sehr familiär und die Ladenbesitzerin ist immer bemüht, Dir zwischen all den schönen Teilen Dein perfektes Piece rauszusuchen, lässt Dich aber auch entspannt und in Ruhe alleine umschauen. Die Klamotten sind liebevoll präsentiert und sehr gut erhalten, so dass man kaum das Gefühl hat, Kleidungsstücke aus zweiter Hand zu kaufen. Nicht zu vergessen ist natürlich die tolle Auswahl an Schuhmodellen, die sogar nach Schuhgrößen sortiert ist und keine Wünsche übrig lässt. Diejenigen, die bisher noch bei den Acne Jensen Boots gezögert haben, finden bei Soeur immer mal wieder ein gut erhaltenes Paar für die Hälfte des Preises!
Soeur Berlin: Marienburger Straße 24, 10405 Berlin
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PICK & WEIGHT
Aber auch die traditionellen Vintage Shopping Spots, die konzentriertes Stöbern und wirklich langes Suchen abverlangen, dürfen auf meiner Liste nicht fehlen. Eines dieser Geschäfte, ja fast Kaufhäuser, ist Pick & Weight im Bergmannkiez. Die riesige Halle gefüllt mit wirklichem ALLEM, was die einzelnen Modeepochen an Perlen hervorgebracht haben, ist ein wahres Paradies für Schatzsucher. Von 20er Jahre Kleidern bis hin zu 90er Jahre Tracking Suits findet man wirklich alles. Das Gewicht bestimmt hierbei den Preis: So zahlt Ihr den größten Teil der Klamotten nach Kilo und einige wenige nach Festpreis.
Hierbei gilt: Genug Zeit und Geduld einplanen, denn nur dann lohnt sich auch ein Besuch bei Pick & Weight. Wer die Augen offen hält und gründlich den Bestand durchforstet hat sogar Glück und findet einen Kaschmir Max Mara Mantel für schlappe 20 Euro! Außerdem ist es die beste Adresse für Motto Partys und trashige Accessoires, die seit diesem Jahr sogar wieder in der High Fashion Szene zu sehen sind. Unbedingt auch bei den Jeanshosen stöbern und eventuell Eure perfekte Mom Jeans finden. Übrigens: Das Konzept funktioniert so gut, dass es mittlerweile weitere Stores in Berlin und sogar in Hamburg, Köln und München gibt. Nähere Infos gibt’s hier!
Pick & Weight: Bergmannstraße 102, 10961 Berlin
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ISOBEL GOWDIE
Zuletzt noch ein Lieblingsladen, den ich seit Jahren regelmäßig besuche: Isobel Gowdie. Der kleine Laden ist die Top-Adresse für High Fashion Pieces aus zweiter Hand, aber auch für Second Season Kollektionen. Hätte ich es damals nicht besser gewusst, hätte ich doch bei meinem ersten Ladenbesuch tatsächlich geglaubt, Isabel Gowdie sei ein Concept Store für Designerklamotten. Auch heute noch sind die einzelnen Klamotten so schön präsentiert, dass es kaum den Anschein eines Secondhandgeschäfts macht. Ich kann Euch versprechen: Auch hier schlägt das Pariser Herz wieder höher, immerhin findet Ihr viele schöne ungetragene Teile von Isabel Marant aus älteren Kollektionen! Ich habe dort schon mehrere Mäntel, Jacken und Pullis gekauft und nie einen Kauf bereut.
Isobel Gowdie: Mulackstraße 28, 10119 Berlin
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So toll, dass Du diese Läden mit uns teilst! Auch mir geht es so, dass ich nachhaltiger werden möchte. Bin letztes Jahr
umgezogen und habe gesehen, wieviel Zeug ich habe (natürlich fleißig aussortiert). Was ist wirklich notwendig und was
kann man nicht auch in 2ndHand erwerben? Dein Artikel ist eben die Antwort auf diese Frage. Danke Ari für das Einsetzen
für mehr Nachhaltigkeit in der Modebranche!
Liebe Ari, vielen Dank für die Erwähnung, wir freuen uns sehr darüber! Die Geschichten schreiben übrigens die Vorbesitzer*innen der Kleidungsstücke – Veist ist ein Kommissionsgeschäft. Leider gibt es, selbst in Berlin, nur wenige Läden, die Kleidung in Kommission nehmen. Hast du nicht mal Lust, einen Artikel übers Verkaufen von Kleidungsstücken zu schreiben? Denn vielleicht kennst du noch weitere Adressen, wo man nicht getragene Lieblingsstücke hinbringen kann. Wir bekommen täglich weit mehr Anfragen, als wir bedienen können, und es wäre so toll, noch mehrere Alternativen nennen zu können. Liebste Grüße aus dem Schillerkiez*
Hallo Ari!
Mir geht es ähnlich wie Dir, nur dass der Prozess bei mir noch andauert. Mittlerweile meide ich die großen Modeketten und sortiere fleißig meinen Schrank aus (was meinen Freund etwas anstrengend findet, da ich mittlerweile ungelogen 2 große Umzugskartons und ein kleiner Reisekoffer mit aussortieren Sachen gefüllt sind – sie wandern demnächst zum örtlichen Second Hand Laden, doch ich finde immer wieder Teile, von denen ich mich trennen will), das meiste trage ich einfach (leider) nicht mehr. Dabei sind die Sachen neuwertig und genau das macht mich auch sauer. Ich kaufte immer wieder neue Sachen, ohne die Kaufentscheidungen wirklich zu überdenken, vor allem bei Trendteilen…Menschliche Ausbeutung sowie die der Umwelt möchte ich nicht mehr unterstützen.
Wenn ich ein neues Teil sehe das mir gefällt (In Newslettern, Zeitschriften, Blogs usw.) und ich sowas ähnliches nicht habe, suche ich es on- und offline als Second Hand Teil.
Es freut mich sehr, dass du einige Läden hier vorgestellt hast. Dieses Jahr werden wir in Berlin sein und zwei Läden werde ich definitiv aufsuchen.
Liebe Grüße nach Berlin
Nicole
Danke, dass du so einen langen und detaillierten Artikel der bewussten und langlebigen Mode schreibst! Derzeit gibt es in Köln eine tolle Ausstellung zum Thema Fast Fashion. Die Schattenseite der Mode. Dort wird ganz genau gezeigt, welche Folgen Fast Fashion sozial und ökologisch haben kann. Auch wird das Konzept des Slow-Fashion vorgestellt, wobei viel traditionelle Handwerkskunst vorgestellt wird. Es öffnet einem wirklich die Augen, was man da eigentlich kauft und das man die Entscheidung, ob der Kauf wirklich notwendig ist und ob es vielleicht noch eine andere Alternative gibt, in der Hand hat!
Sehr guter Laden für Curated Vintage :) ist auch Sometimes Coloured in der Grünberger Straße. Es ist nicht immer was dabei, aber hab schon wundervolle Sandro Jeans und den absolut schönsten Samtblazer von einer mir unbekannten amerikanischen Firma dort ergattert.
Toller Post! Hast du auch Second Hand Empfehlungen für Los Angeles ?
Liebe Grüße