Es fing alles mit einem “Wie? Du hattest einen Kaiserschnitt?” an. “Warum tut man sich und seinem Kind das freiwillig an?” wurde gleich von einer anderen Mutter in der ersten Stunde des Rückbildungskurs hinterhergeschoben, bevor ich überhaupt einen Satz sagen konnte. Ich kann nur sagen, “ich habe mich nicht gedrückt! Ich wollte natürlich entbinden, aber bei meiner ersten Geburt war es medizinisch absolut notwendig und die einzige Lösung für mich und mein Baby, um gut aus der Sache rauszukommen.” Aber man kommt meist gar nicht dazu, jedem lang und breit seine Geburtsgeschichte zu erzählen und so habe ich in der Vergangenheit bei dem Thema öfter mal fragende, zum Teil irritierte Gesichter gesehen und immer das Gefühl gehabt, ich hätte mich rechtfertigen müssen.
Ich habe mir selbst lang genug Gedanken gemacht, was ich hätte besser oder anders machen können, um damals einem Kaiserschnitt zu entkommen, aber es gibt dazu einfach keine Antwort und ich habe mit der zweiten Geburt, die ganz natürlich verlief, endlich meinen Frieden mit dem Thema geschlossen.
Doch wer denkt, dass das der einzige “gut gemeinte” Spruch zum Thema Kinderkriegen und -haben von Personen, die mir nahe stehen oder sogar von wildfremden Personen war, der irrt. Im Laufe der letzten 5 Jahre, die ich mittlerweile Mama bin, ist mir einiges zu Ohren gekommen.
“Wie, dein Kind schläft immer noch nicht durch? Das muss wohl daran liegen, dass du noch stillst!”
“Babys sollten nicht im Bett der Eltern schlafen – du könntest sie im Schlaf erdrücken oder mit der Decke ersticken.”
“Du stillst immer noch? Das reicht deinem Kind doch gar nicht mehr aus.”
“Warum bist du schon wieder so dünn? Isst du genug?”
“Du gehst schon wieder arbeiten? Und wer passt jetzt auf die Kleine auf? Was? Schon mit 14 Monaten in die Kita?”
“Ich würde in dem Alter noch keine weiten Reisen mit den Kindern machen – das ist viel zu anstrengend für die Kleinen und die können sich doch eh an keine Urlaubsorte erinnern.”
“Dein Baby ist bei den Temperaturen viel zu warm angezogen. Das bekommt doch gleich einen Hitzschlag.”
“Die Kleine darf schon Eis essen? Ich dachte Zucker erst frühestens ab dem zweiten Geburtstag?”
“Du zeigst deine Kinder auf Instagram?”
Einer der verrücktesten Sprüche kam schon ein paar Wochen nach der Geburt, als ich mit meiner Tochter das erste Mal mit dem Ergobaby Carrier unterwegs war. Ein älterer Herr schimpfte mich auf der Straße an, wie egoistisch und faul ich wäre. “Babys müssen gerade im Kinderwagen liegen und dürfen nicht in der Trage getragen werden. Außerdem bekommt es in dem Ding eh nicht richtig Luft.” Ich war völlig perplex und versuchte ihm zu erklären, dass das nicht passieren würde..blabla..merkte aber schnell, dass das keinen Sinn machen würde. Als dann auch noch kurz darauf ein Familienmitglied fragte, warum wir denn unser Kind so häufig tragen würden, war ich komplett verwirrt und verstand die Welt nicht mehr. Schlimm ist daran, dass ich mir als frisch gebackene Mutter die Kritik stark zu Herzen genommen habe und mich sprichwörtlich wie eine Rabenmutter fühlte. Ich weiß natürlich heute, dass ich meinen Kindern durch das Tragen nicht geschadet oder sie “verhätschelt” habe, aber der Spruch ist mir dennoch in meinen Ohren geblieben.
Ich würde nicht jedem unterstellen, dass er einen dieser Sätze böse gemeint hat – vielleicht waren sie nur so rausgerutscht – , aber verletzend bzw. zumindest verunsichernd waren die Worte trotzdem. Sicher haben einige von Euch auch schon ähnliches erlebt und sich danach gewundert, waren verärgert, verletzt und fühlten sich sogar schlecht.
Genau aus diesem Grund hat Löwenzahn Organics die Kampagne #coolmomsdontjudge ins Leben gerufen. Damit wollen sie ein Zeichen gegen Momshaming setzen und Mamas dazu aufrufen, sich gegenseitig mehr nach dem Motto “leben und leben lassen” zu behandeln oder – noch besser – sich gegenseitig zu unterstützen. Denn gemeinsam über die kleinen oder großen Querelen des Alltags zu lachen und sprechen, ist doch immer um einiges wohltuender, als sich ständig zu bewerten.
Ich schreibe zwar eher selten über Mütter- und Familienthemen, aber hier war es mir ein Anliegen, mitzumachen. Ich habe das große Glück, die Reise des Kinderkriegens und -habens mit einigen tollen, gut befreundeten Mamas und Vätern zu teilen. Hier urteilt niemand über den anderen, sondern es wird sich gegenseitig geholfen, ermuntert und inspiriert. Es gibt nicht für jeden den einen, richtigen Weg. Man muss immer die individuelle Situation betrachten. Außerdem würde ich grundsätzlich erstmal davon ausgehen, dass alle Eltern für ihr(e) Kind(er) nur das Beste wollen – wir sitzen alle im selben Boot, machen häufig die gleichen Phasen und Situationen durch, sind müde und manchmal überfordert.
Statt also vorschnell jemandem etwas Böses zu unterstellen, sollte man im besten Fall doch lieber fragen: “Hey, kann ich dir irgendwie unter die Arme greifen? Dir dein Kind am Nachmittag mal abnehmen…” usw. Manchmal reicht auch ein einfaches zunicken, um zu wissen, dass man nicht allein ist und verstanden wird. Im Flugzeug, an der Supermarktkasse oder in der Ubahn, wenn man dem Kind einfach mal gar nichts recht machen kann. Die Situation ist einem doch als Elternteil schon unangenehm genug und es würde manchmal bereits helfen, wenn andere durch ein Lächeln oder eine helfende Hand den Druck aus der Sache nehmen. Wir, egal ob Eltern oder kinderlos, können in jedem Fall etwas dazu beitragen, um Mütter und Väter mit ihren Kindern im Alltag zu stärken.
Und wie meine Freundin Isabel sagt:
“Wenn wir uns gegenseitig helfen, wird das besser und dann können wir uns auch wieder wichtigeren Dingen widmen. Denn – die Kinder werden so schnell groß. Anstatt uns also fertig zu machen wegen Baby-Kram, sollten wir diese Energie doch lieber verwenden, um über die Dinge zu sprechen, die uns wirklich alle umtreiben. Warum sind Frauen im Beruf oft immer noch benachteiligt? Was können wir tun, damit Vereinbarkeit wirklich funktioniert? Warum werden Männer GELOBT, wenn sie sich um ihre Kinder kümmern, während Frauen es nur falsch machen können? Warum verdienen wir immer noch weniger?”
Gemeinsam mit dem Sozialforschungsinstitut forsa hat Löwenzahn Organics eine exklusive, repräsentative Studie zum Thema Momshaming durchgeführt. Dafür wurden 1.010 Mütter mit Kindern bis zu vier Jahren befragt. Die Ergebnisse sind dabei alles andere als schön:
77% der Frauen sind schon mal für den Umgang mit ihren Kindern kritisiert worden. 72 % fühlten sich deshalb schon mal als schlechte Mutter. Und 27% der Mütter, die ihrem Kind die Flasche geben, fühlen sich aus diesem Grund als schlechte Mutter. 29 % stillen nur ungern in der Öffentlichkeit, weil sie befürchten dafür kritisiert zu werden. 14% wurden kritisiert, dass sie in der Öffentlichkeit gestillt haben.
Lasst uns also aktiv werden und beim nächsten Mal lieber zweimal überlegen, ob man sich die Kritik spart oder wie man sie vielleicht respektvoll und sensibler formuliert. Das finde ich übrigens generell: Kritik & Meinungsverschiedenheiten sollten immer auf Augenhöhe und mit Bedacht geäußert werden. Besonders im Internet wird gerne mal unter dem Deckmantel der Anonymität wild drauf los getippt oder sogar gebasht.
Die anderen tollen Mit-Botschafter der #coolmumsdontjudge Kampagne sind: Lucie Marshall, Little Years, MummyMag, Oh Wunderbar, Echte Mamas, Smag, Hebamme Maria, Ivy und Johnnys Papa Blog.
Als wir uns vor ein paar Wochen alle zusammen zu einem Frühstück mit den Gründerinnen trafen und über die Studie sprachen, haben wir außerdem ein kleines Video produziert, das ich euch nicht vorenthalten möchte.
Am 12. Juni wird es in Berlin übrigens auch eine Panel-Diskussion zum Thema geben. Mit dabei sind zum Beispiel EDITION-F- Gründerin Susann Hoffmann, Buchautorin Malin Elmlid („Mein persönlicher Mutterpass“ und Hebamme Maria Ehrenstraßer – das wird bestimmt sehr spannend.
“Am Ende sind wir doch alle nur Eltern, die abends erschöpft ins Bett fallen, weil sie den ganzen Tag das Beste für ihr Kind gegeben haben mit dem einen Ziel, es glücklich zu machen.”
(Liz Sauer Williamson, Gründerin, Löwenzahn Organics)
Header Photo: Julia Novy
– In Zusammenarbeit mit Löwenzahn Organics –
Ich finde die Botschaft und deinen Artikel super. Ich bin selber vor einem Monat Mama geworden und musste leider schon feststellen, wie schnell man kritisiert wird, weil man nicht stillen kann (wollte ich und habe ich versucht), einen Kaiserschnitt hatte ( war nicht geplant) oder weil man mit seinem Baby viel schmust (pass auf, du verwöhnt dein Kind zu sehr) . Wie kann man Kinder mit Liebe verwöhnen? Egal wie Selbstbewusstsein man ist aber sowas verunsichert einen ungemein. Ich finde eure Botschaft super und ich denke auch jede Mutter weiß, was das Beste für ihr Kind ist und man selber versucht immer alles zu tun, damit es seinem Kind gut geht.
Vielen Dank für diesen tollen Artikel!
Meine Tochter ist jetzt ein Jahr alt und ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich jeden (!) der Sätze oben schon gehört habe. Mir geht das auch auf den Zeiger. Danke für den Beitrag und: stark bleiben!
Oh Ari, ich finde es toll, dass du dieses Thema ansprichst. Und auch ein wenig erschreckend. Ich habe ja keine Kinder und dachte, nur dann bekommt man grenzüberschreitende und völlig unpassende Fragen gestellt. „Wann bekommst du ein Kind, warum hast du noch keins… usw“…. Mich regt dieses Thema so auf, weil es einfach niemanden etwas angeht. Genauso wenig geht es Außenstehende etwas an wie man sein Kind entbindet, wann man ihm ein Eis zu essen gibt, oder wie lange man es durch die Gegend trägt. Ich verstehe nicht, warum sich die Menschen andauernd in das Leben anderer einmischen. Anders als du glaube ich nicht, dass alle Fragen dieser Art nett gemeint sind. In erster Linie sind sie meistens völlig unüberlegt. Die Kampagne finde ich deshalb richtig toll und hoffe sehr, dass sie viele Mütter ermutigt und alle anderen zum nachdenken anregt.
Liebste Grüße und noch ganz viel Spaß im traumhaften Kalifornien, Neele
wunderbar und wahr!
Aber ich finde es erstaunlich, dass sich offenbar viele von euch, die an sich sehr selbstbewusst wirken (das schließe ich mal aus den Berufen… hat ein Blogger der sich im Internet der Welt präsentiert nicht automatisch ein dickes Fell / sehr gesundes Selbstbewusstsein?), sich von den Gedanken/Kommentaren anderer (Mama´s/Fremder) so verletzen lassen?
In deinem Fall liebe Ari, würde ich eher die Einstellung deiner Familie hinterfragen, die deinen Kaiserschnitt ernsthaft in Frage gestellt hat?
DAS ist überflüssig. Es spielt auch keine Rolle WARUM du einen hattest, ob gewollt oder ungewollt. Schon die kleine Rechtfertigung in deiner Einleitung zeigt, wie sehr dich das offenbar immer noch bewegt. Das tut mir sehr leid für dich und ich hoffe du kommst da irgendwann drüber hinweg.
BG Clara.